Dein Körper besitzt eine innere Uhr, die hauptsächlich durch Lichtexposition synchronisiert wird. Wenn Licht auf deine Netzhaut trifft, werden Signale an den suprachiasmatischen Nucleus in deinem Gehirn gesendet – quasi das Hauptquartier deiner biologischen Rhythmen. Dieses System funktioniert seit Jahrtausenden nach dem gleichen Prinzip: Helles Licht am Morgen signalisiert "Tag", Dunkelheit am Abend startet die Melatonin-Produktion und bereitet deinen Körper auf Schlaf vor.
Das November-Problem: Wenn es morgens dunkel ist und abends früh dunkel wird, verliert dein Körper seinen natürlichen Rhythmus. Die Produktion von Melatonin – dem Hormon, das dir signalisiert, dass es Zeit zum Schlafen ist – wird nicht mehr zur richtigen Zeit angeregt. Das allein wäre schon herausfordernd genug. Aber in städtischen Umgebungen verschärft sich die Situation dramatisch durch künstliche Beleuchtung.
Wissenschaftliche Studien zeigen, dass bereits eine zweistündige Exposition mit blauem Licht am Abend (bei einer Wellenlänge von etwa 460 nm) die Melatonin-Produktion signifikant unterdrückt und deinen zirkadianen Rhythmus verzögern kann. Harvard-Forscher haben herausgefunden, dass blaue Lichtexposition die zirkadianen Rhythmen sogar doppelt so stark verschiebt wie grünes Licht vergleichbarer Helligkeit.
Hier kommt der urbane Faktor ins Spiel: Dein Büro ist hell erleuchtet – aber mit dem falschen Lichtspektrum. Smartphones und Bildschirme strahlen bis spät in die Nacht blaues Licht aus. Straßenlaternen scheinen durch dein Schlafzimmerfenster. Dein zirkadianer Rhythmus weiß buchstäblich nicht mehr, ob gerade Tag oder Nacht ist.
Eine aktuelle Studie aus dem Jahr 2024 liefert beeindruckende Zahlen: Menschen mit den niedrigsten Sterberisiken waren nachts praktisch keinem Licht ausgesetzt – besonders zwischen 2:30 und 3:00 Uhr morgens, der sensibelsten Phase für den zirkadianen Rhythmus. Auf der anderen Seite zeigte sich, dass Menschen mit hellen Tagen und dunklen Nächten bis zu fünf Jahre länger leben können als Menschen mit dem umgekehrten Muster. Fünf Jahre Lebenserwartung – durch besseres Licht-Timing.